Liebe, was ist denn das?
Copy Right Bibi Degn
Freundesliebe, Partnerschaft, erwiderte und nicht erwiderte Liebe, platonische und erotische Liebe, selbstlose Liebe, Liebe auf den ersten Blick, Mutter-und Vaterliebe, Nächsten- und Feindesliebe, Verliebtheit, Liebe zur Natur, mystische Liebe, und last, but not least: Selbstliebe. Wenn man von Liebe spricht, kann es eigentlich sehr viel Verschiedenes sein- aber eines bleibt: Es ist dieses Gefühl das wir alle kennen und herauslocken können, wenn wir an uns einen Herz-TTouch machen!
Schmetterlinge im Bauch?
Ich war perplex. Ich weiß nicht mehr, wer es war- aber sie sagte zu mir: „Ich hasse es, wenn ich verliebt bin”. Sind doch sonst die Verliebten immer euphorisch? Nach längerem Nachdenken konnte ich verstehen. Alles was wichtig war (und vernunftsmäßig auch ist) wird plötzlich völlig unwichtig: Die Menschen, denen man verbunden ist, werden vernachlässigt, Termine abgesagt, wichtige Prüfungen verlegt, man tendiert zu Fehleinschätzungen und lässt sich auf Wagnisse ein, die, naja.… Verliebtheit bringt unser Leben ganz schön durcheinander. Verliebtheit dauert, habe ich gelesen, ein Jahr, oder eineinhalb Jahre, dann ist die Zeit mit diesem besonderen Hormon-Cocktail vorüber. Wenn man Glück hat, wird Liebe draus. Wer Verliebtheit nie erlebt hat, fragt sich, ob er/sie etwas Wesentliches versäumt hat. Vielleicht nicht. Beziehungen scheinen recht unabhängig von der großen Verliebtheit manchmal hervorragend und manchmal nicht zu funktionieren. Weil die Verliebtheit nicht alles ist, vielleicht sogar gar nicht so wichtig – jedenfalls ist es etwas anderes als Liebe.
Wir reden außerdem hier von Tieren und nicht von Zweierbeziehungen. Auch da gibt es das, oder? Die Hingezogenheit zu einem Tier, das so gar nicht dem entspricht, was die Vernunft gesagt hat und was alle Freundinnen und die Tierärztin nach der Ankaufsuntersuchung raten — dennoch muss es eben sein. Aber auch hier- Beziehungen funktionieren oft ganz unabhängig von der großen Verliebtheit hervorragend. Es gibt ebenso viele Mensch-Tier-Beziehungen, die sich erst langsam aus dem Schlamm wühlen müssen, wie es jene mit der Liebe auf den ersten Blick gibt, jene, bei denen man im ersten Moment weiß, dass man füreinander bestimmt ist.
Man läuft Gefahr, ein bisschen zu weinen…
„Man läuft Gefahr, ein bisschen zu weinen, wenn man sich hat zähmen lassen…”, sagt A. de Saint Exupérie im kleinen Prinzen. Man läuft auch Gefahr, ein bisschen zu weinen, wenn man Liebe zulässt.Hatten auch Sie schon den Gedanken, nachdem ein geliebtes Tier gestorben war, dass Sie keines mehr wollten, weil der Abschiedsschmerz zu unerträglich schien? Ja, man läuft Gefahr, ein bisschen zu weinen, wenn man liebt. Der Grund dafür ist allerdings ein sehr schöner: gelebte Liebe könnte das Wichtigste im Leben sein. Das, was man wie Edelsteine in der Vitrine seines Lebens sammelt: „Die Summe unseres Lebens sind die Stunden, in denen wir liebten“, sagte Wilhelm Busch. Ich liebe dieses Zitat, sagt es doch kurz und knapp das aus, was viele Menschen auf die eine und andere Art auf ihrem Sterbebett ausdrücken.
Eines wurde mir klar im Laufe eines langen Lebens und manch einer zwei- und vierbeinigen Liebe: Wer auch immer geht, wer auch immer mich zurücklässt, meine Liebe kann man mir nicht nehmen, denn die gehört zu mir und nicht zu dem Tier das gestorben ist, nicht zu dem Menschen, der gegangen ist. Sie ist ein Teil von mir und es bleibt in meiner Verantwortung, für sie offen zu bleiben. Liebe bedeutet, dass man ein offenes Herz hat, sich berühren lässt. Ja, es kann sein, dass man manchmal ein bisschen weinen muss. Und es kann sein, dass dies genau das ist, was uns zu menschlichen Menschen macht. Es ist nicht die Abwesenheit von Schmerz, was uns glücklich macht, aber vielleicht die Fähigkeit und der Mut, unser Herz zu öffnen.
Lasse frei was du liebst
So scheinen Liebe und die Herausforderung, loszulassen, irgendwie zusammen zu gehören. „Die Liebe ist ein Kind der Freiheit, niemals das der Beherrschung.” (sagt Erich Fromm in dem immer noch sehr lesenswerten Buch: „Die Kunst des Liebens”) und doch ist stets die Versuchung da, die Liebe und ihre Objekte zu beherrschen, die zu kontrollieren, die wir lieben, sie in unserem Leben festzunageln, sie zu „besitzen”, um zu verhindern, dass wir ein bisschen weinen. Eltern kennen das zB, wenn die Kinder groß werden. Und ich kenne das von den tausend Abschieden, wenn ich zu Seminarreisen aufbreche. Und wir alle kennen das, wenn wir es so schwer haben, unsere geliebten Tiere zu teilen, ihnen zuzutrauen, zuzumuten, zuzugestehen, dass sie auch mit einem anderen Menschen eine (gute) Zeit verbringen könnten.
Erkenntnis und Achtung
Liebe zu jemand anderem bedeutet, ihn so zu sehen, wie er ist. Seine einzigartige Individualität wahrzunehmen. Immer wieder offen zu sein, ihn in seinem innersten Wesen zu erfahren. Das sind die Momente in der Liebe, die mir Glückstränen in die Augen treiben: wenn mich jemand in meinem innersten Wesen erkennt und berührt.
In einer gesunden Liebe bleibt aber auch die Individualität der/des Liebenden erhalten, die eigene Integrität. Liebe ist wie Musik, die nur auf einem intakten fein gestimmten vollständigen Instrument gedeihen kann. Verbiege ich eine Flöte, wird sie keinen vernünftigen Ton hervorbringen. Das bedeutet, dass echte Liebe nur zu gedeihen vermag, wenn ich aus meinem ureigenen tiefsten Wesen heraus liebe und den Anderen in seinem tiefsten Wesen erkennen und erfahren möchte. Und das wieder und wieder. Eine Kunst!
Aber was hat all das mit unserer Arbeit mit Tieren zu tun?
Eine ganze Menge. Es gibt so viele Momente, in denen ich ‑oft mit meinen Händen am Tier- tiefe Liebe erfahre. Mit all den Elementen, die uns diese Arbeit lehrt. Weil uns diese Arbeit lehrt, dem geliebten Tier die Freiheit zu lassen: Es geht nicht um mich, sondern es geht darum, dem Tier eine Hilfestellung zu seinem besten eigenen Sein zu geben. Es geht darum, das individuelle Tier in seinem tiefsten Wesen anzunehmen. Ist es nicht ein Wunder, wie die Tiere, ohne dass wir ihnen vermitteln, dass sie anders sein sollen, zu einer schönen Balance ihres Verhaltens finden, zu einem Verhalten, mit dem auch wir dann gut leben können, das Lernen und Kooperation möglich macht? Nur indem wir ihnen helfen, Ängste und Stress gehen zu lassen und einfach zu sein? Wie es mich begeistert, immer wieder, zu erfahren, dass jedes Tier, jeder Mensch, der frei wird von Ängsten und Stress, der also zu seinem eigenen tiefsten Wesen findet, auch liebenswert und für das Umfeld angenehm ist. „Wahre Liebe ist aus Verständnis geboren” (sagte Buddha — Siddharta Gautama 500 vor Chr.). Unsere Zusammenarbeit mit Tieren gründet auf Verständnis und Vertrauen, wozu Robyn Hood einmal die Klarstellung machte: ‘Verständnis bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich alles akzeptiere, wie es ist.’
„Schaut hin, ohne zu bewerten und ohne zu interpretieren”, ist ein Satz, den ich in den Kursen gerne wiederhole. Leicht ist das immer bei denen, die wir nicht kennen. Wie schwer ist es bei denen, mit denen wir unser Leben teilen, über die wir scheinbar ‘alles wissen’, so dass wir gar nicht mehr neugierig hinschauen müssen, wollen – oder können.
Und nach dem Hinschauen beginnt die gemeinsame Arbeit hin zu den Zielen, die wir uns so setzen mit unseren Tieren. Loslassen, annehmen und sich dann mit Freude und Liebe an die Arbeit machen…..