Connected Riding
Was ist dran an Peggy Cummings’ Connected Riding?
Die einen halten es für die Methode, die den Reitsport revolutionieren könnte, die anderen für Pillepalle mit Worten. Was steckt hinter Peggy Cummings’ Connected Riding? Wo kommt es her? Was bewirkt es? Ist es wirklich so neu und anders? Und was versteckt sich hinter den etwas nebulösen Begrifflichkeiten?
Die Sprache von Connected Riding
Das erste, was am Connected Riding auffällt, ist die völlig andere Terminologie des Reitunterrichts. Die Lehrer sprechen von „tada“, „wiggeln“ oder „die Zügel kämmen“. Warum diese neue Sprache, die für Uneingeweihte mysteriös und kurios klingt? Peggy Cummings sagt, um neu lernen zu können, ist es nötig, alte Gewohnheiten abzulegen. Gewohnheiten sind sprachlich belegt. Wenn wir also die Worte „halbe Parade“ oder „Schenkelhilfe“ hören, reagiert unser Körper automatisch und oft starr. Und genau gegen dieses Automatisierte, Erstarrte im Reiten richten sich die andere Sprache und die Reitlehre von Peggy Cummings.
Ähnliche Wurzeln wie in Connected Riding findest du im Centered Riding und in der Tellington-Methode, aber auch in den Körperschulen von Feldenkrais und Alexander und in den fernöstlichen Kampfkünsten.
Der menschliche Körper ist in seiner Balance angreifbar, physisch, aber auch psychisch werden wir durch die Belastungen des Alltags aus unserer Bahn geworfen. Wir werden schief in der Wirbelsäule und verlernen ganz buchstäblich den aufrechten Gang. Wenn wir diesen aus der Balance geratenen Körper auf ein Pferd setzen, das womöglich eine eigene Schiefe und Dysbalance mitbringt – wie sollen zwei verstimmte Instrumente ein wohlklingendes Duett spielen?
Hier setzen viele Therapien an. Sie allen haben das Ziel, uns wieder zu aufrechten Menschen mit gesundem Rückgrat zu machen. Hier setzt auch Connested Riding an, mit der Grundannahme, dass nur ein Reiter in dynamischer Balance ein balanciertes Pferd hervorbringen kann. Und: Nur ein balanciertes Pferd ist ein Pferd, das seinen Reiter widerspruchslos und gesund bis ins hohe Alter tragen kann.
Was bringt uns das Connected Riding Neues?
Die wenigsten Reitpferde, mit denen wir tagein, tagaus zu tun haben, sind unbeschriebene Blätter. Vom ersten Moment an, in dem einem Fohlen ein Halfter übergezogen wird, ergeht es ihm wie uns: Wir ziehen an seinem Kopf (mehr oder weniger heftig), wir führen es von einer Seite — oft von der gleichen Seite und bringen es dadurch ebenfalls aus seiner Balance. Jedes Ziehen am Kopf, so Peggy Cummings, verursacht Verspannungen am Genick. Das Genick jedoch ist das Gelenk, das unbedingt losgelassen sein muss, wenn der ganze Rücken losgelassen und schwingend sein soll.
Setzen wir uns nun mit unserer Schiefe und unseren Verspannungen auf dieses aus der Balance gebrachte Pferd, muss das Pferd kompensieren. Es kommt dadurch unweigerlich vermehrt auf die Vorhand und versteift sich gegen den Reiter.
Dem Ungleichgewicht begegnen
Die Übungen aus dem Connected Riding und der dazugehörigen Boden- und Körperarbeit haben zum Ziel, die oft vernachlässigte tiefe Rumpfmuskulatur, auch Kernmuskulatur genannt, zu aktivieren und zu stärken.
Peggy Cummings’ Körperarbeit für den Menschen lehrt, unsere Balance zu finden, den Unterschied zu erspüren und wahrzunehmen und dann durch Ausprobieren und Selbstkontrolle unseren Körper immer wieder in diese gefundene Balance zu bringen. Diese Balance ist keine statische, denn „das einzig Beständige ist der Wandel“. Frustrierten Schülern, die damit ringen, dass sie ihre Balance immer wieder verlieren, sagt Peggy Cummings: „Du kannst nichts festhalten. Finde dich damit ab und fange an zu lernen.“
Der Schlüssel zur Balance im Connected Riding liegt in der Bewegung
Der Körper (von Mensch wie Pferd) kann nur dann Bewegungsfreiheit in den Gelenken haben, wenn er sich immer wieder in Bewegung ausrichten und neu justieren kann. Alles Feste wird zu überwinden gesucht. Genau hier ist der Kern der Lehre von Peggy Cummings. Das Pferd ist in Bewegung und, so Peggy Cummings, man kann nicht einen statischen Reiterkörper auf einen bewegten Pferdekörper setzen und erwarten, dass daraus keine Verspannungen resultieren. Im Connected Riding ist der Reiter also ständig in Bewegung, Bewegung, die man von außen nicht sehen kann (oder nicht sehen sollte).
Der Schlüssel liegt hierbei in Schwingung, denn ein Muskel, der sich in Schwingbewegungen befindet, kann sich nicht verspannen. Bewegung und Erstarren schließen sich aus. Das Pferd, so Peggy Cummings, kann sich dadurch freier bewegen, seine Gelenke besser einsetzen und spürt den Reiter als lebendes, mit ihm agierendes Subjekt.
Auch gegen Spannungsmuster im Pferd wird nach diesen Prinzipien vorgegangen, auch hier kommen die Schwingbewegungen zum Einsatz. Das Pferd lernt durch die Übungen, sein Gewicht von einer Seite auf die andere und zurück zu verlagern und von der Vorhand auf die Hinterhand. Genau wie dem Menschen wird dem Pferd ein neues Körpergefühl vermittelt. Ein sich in Bewegung etablierendes Körpergefühl, das mit jedem Schritt neu belebt werden kann.
Fazit
Die Methode ist in ihren Grundzügen einfach erlernbar. Den Schülern werden konkrete Hilfsmittel an die Hand gegeben, mit denen sie sicher einen Unterschied in der Körperhaltung und im Körperbewusstsein ihrer Pferde erreichen können.
Die Pferde lernen zuverlässig, sich zu dehnen, Last mit der Hinterhand aufzunehmen, im Genick nachzugeben und den Rücken zu tragen. Die Menschen lernen, ihren eigenen Körper besser wahrzunehmen und Spannungen abzubauen.
Auch Connected Riding nimmt dem Reiter nicht die Arbeit ab, reell reiten lernen zu müssen und auch nicht die Verantwortung, sein Pferd gesund zu erhalten. Connected Riding ein ständiger Prozess, ein dynamisches Balance-Finden, mit dem man nie fertig ist. Schon deswegen ist Connected Riding nichts für Leute, die schnelle und endgültige Lösungen erwarten, sondern für Menschen, die sich wirklich auf die Ausbildung ihrer Pferde einlassen wollen und langfristig Veränderungen schaffen wollen.
Die offizielle Seite zu Connected Riding Deutschland findest du hier: Connected Riding Deutschland